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Mandalas
Tautropfen am leg

Auf der Erde zu gehen, das ist das Wunder

Lin Chi


„Das, wovon wir reden, kann durch Suchen nicht gefunden werden, und doch finden es nur Sucher" (Sufi-Weisheit)


Zu Füßen Gottes
Zu Füßen Gottes, wenn Gott Füße hat
zu Füßen Gottes sitzt Bach
nicht der Magistrat von Leipzig
Reiner Kunze²

² Reiner Kunze, ERMUTIGUNG NACH 200 JAHREN (zu Füßen Gottes). Aus: ders., auf eigene hoffnung. © 1981 S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Vater,
wo meine Worte ihre Grenzen finden,
da erzählen die Bilder Deiner Schöpfung von Dir.
Wo die Bilder ihre Grenzen finden,
da erahnt die Musik Deinen Klang.
Wo die Musik ihre Grenzen findet,
da tanzt Du Deinen ewigen Tanz.
Vater,
gib mir die Gnade,
in Deinem Klang mitzutönen,
in Deinem Tanz mitzuwirbeln,
mit meinen Worten, mit unseren Bildern,
Deinen Seelenfunken weiterzutragen,
auf dass die Welt zu glühen beginne
im Brennen unserer Sehnsucht und Liebe.

 


Mutter, Vater,
Vierzig Jahre habt Ihr mich eingeladen zu Eurer Hochzeit.
Vierzig Jahre lang habe ich diese Einladung nicht zur Kenntnis genommen.
Mutter, Vater,
wie soll ich Euch danken
für Euere Geduld, für Euere Treue, für Euere Einladungen,
dir Ihr tagtäglich auf's Neue an mich verschickt habt. Vater, Mutter,
der Wind singt Euer Hochzeitslied,
der Bach berauscht mit Hochzeitstrank,
Sonne, Mond und Sterne strahlen als Kronleuchter
Euerer Lichterhochzeit.
Vater, Mutter,
die Augen der Menschen lassen mich eintauchen
in das Glühen Euerer Vermählungsliebe.
Habt Dank.

Wandlungen der Liebe
Wandlungen der Liebe


Feentanz
Feentanz
Die Blumen tanzen aus den Mauerritzen

Mutter,
da habe ich doch geglaubt, Augen zu haben!
Blind bin ich durch's Leben gegangen. Mutter,
da habe ich doch geglaubt, Ohren zu haben! Taub habe ich am Radioknopf gedreht. Mutter,
wie soll ich Dir danken,
dass Du den Vorhang vor meinen Augen weggezogen hast,
die Pfropfen mir aus den Ohren gelöst hast...
Mutter,
lass uns gehen auf Deine Blumenwiese,
lass uns tanzen mit den Blumenelfen,
lass uns fideln mit Grillen, Hummeln und Käfern...
Mutter,
lass uns jubeln, tanzen und Purzelbäume schlagen... Mutter,
ich sehe, ich höre, ich lebe.
Und sperrt man mich ein in den finstersten Keller,
Mutter,
dann werden die Blumen aus den Mauerritzen tanzen.

Mutter Natur,
du gebierst Formen,
die jeden Künstler mit leeren Händen stehen lassen.
Mutter Natur,
du malst Farben,
die jeden Maler verzweifeln lassen.
Vater Geist,
Dein Kosmos klingt,
auf dass jeder Musiker verstummt.
Vater Geist,
Dein Licht durchstrahlt alles Sein.
Wozu meine Worte?

Metamorphose
Metamorphose


Mutter - Vater
ich singe euer Lied
ich tanze eueren Tanz
ich umarme die Welt
wir lieben

Du, -
in welchem Hochmut wollte ich Dich fassen,
Dich verstehen, erkennen, in Worte packen...
Wer kann alle Grashalme der Welt sammeln,
alle Sandkörner
und alle Sterne des Himmels zählen -
Wozu?

Häutungen
Häutungen

Mutter - Vater,
wie wunderbar durfte ich wieder die Liebe leben!
Schenkend wurde ich beschenkt.
Doch jetzt füllt die Trauer des Loslassens mein Herz.
Strömende Wärme verklumpt zu einem schweren Stein.
Wie oft noch muss ich durch dieses Fegefeuer? -
So oft, bis ich rein und reif bin für die allumfassende Liebe,
die den wahren Geliebten meiner Seele
in jedem Grashalm und jedem Windhauch erkennt.
Wann werde ich den Sprung wagen
in die Liebe, die kein „ich" mehr kennt?


Vater,
keine Zeit, - stöhnen die Menschen und hetzen weiter.
Wovor nur rennen sie so schnell davon?
Vater,
könntest Du die Zeit nicht mal anhalten,
nur für einen klitzekleinen Moment, -
damit wir Menschen erkennen können,
dass die Zeit unser Leben ist?

Der Augenblick ist mein
Der Augenblick ist mein

            ► Fortsetzung


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