Lee
Wahrscheinlich so zwischen fünf und acht Mal.
Richard
Wie lange ist das her?
Lee
Das erste Mal ist zwei, zweieinhalb Jahre her.
Richard
Sie haben es bloß acht Mal versucht? Wie viele Wege führen aus der Stadt heraus?
Lee
So um die sechs oder acht.
Richard
Sehen Sie, ich bin viel experimentierfreudiger als Sie. Ich hätte alle verschiedenen Straßen ausprobiert, um zu sehen, ob ich entkommen kann. Vielleicht liegt es auch an Ihrem Wagen.
Lee
Ich habe den gleichen Wagen.
Richard
Sind Sie alle acht Mal die gleiche Strecke gefahren?
Lee
Nein.
Richard
Gut. Denn vielleicht steht da ein Schild mit der Aufschrift Keine Panik! Irgendso etwas nettes. Ich hatte einen Freund, der einmal etwas Großartiges gelernt hat, weil ihm, als er jung war, ein Vertreter des Ärztestandes gesagt hat, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung sei und er entweder lernen müsse, damit zu leben oder von der Golden Gate-Brücke springen müsse. Siehe da, fünf Jahre später fand man ein Mittel dagegen, das es bis dahin nicht gegeben hatte. Und er war immer wieder in San Francisco in der Nähe der Brücke herumgeschlichen und fühlte sich ohne Grund lebensmüde. Ich bin sicher, dass der Arzt damals eine gute Absicht hatte, aber mein Freund war eben etwas suggestibel und ist es einfach nicht mehr losgeworden.
Lee
Er hat es im Kopf behalten.
Richard
Für ihn war es eine große Sache. Wie auch immer, ich sage Ihnen jetzt, was Sie tun sollen Bei Ihnen ist es einfach. Genau nach meinem Geschmack. Es hat Ihnen noch niemand gesagt, dass mein liebstes Problem... mein liebstes Problem sind Phobien, weil ich kein... ich habe kein sehr gutes Gedächtnis. Ich bin etwas zerstreut in vieler Hinsicht. Ich verbringe einen großen Teil meines Lebens damit, mir zu überlegen, wo ich etwas hingelegt habe. Ich möchte, dass Sie folgendes tun... ich möchte, dass Sie einfach zurückgehen und sich an den Augenblick erinnern, als Sie das Haus verlassen haben, ich glaube es war das Ihres Onkels.
Lee
Mh hmmm.
Richard
Okay. Das Haus Ihres Onkels und Sie wissen, was Sie sehen würden, wenn Sie jetzt fahren würden. Wie weit ist es?
Lee
Wahrscheinlich so um die sieben Meilen.
Richard
Sieben Meilen. Das ist in Ordnung. Dann auf einmal Wumm, und Sie wissen, in welchem Moment die Panik zuschlägt. Denn Sie können es in Ihrem Kopf wirklich schnell machen. Sehen Sie all das, was Sie sehen würden, wenn Sie wieder dort wären. Doch dieses Mal möchte ich, dass Sie es nur einmal durchlaufen lassen, um zu sehen, ob die Erinnerung daran noch da ist. Ich möchte nur, dass Sie sich in der Erinnerung sehen. Mit anderen Worten, Sie beobachten so, als könnten Sie neben dem Wagen herfliegen und den Ausdruck auf Ihrem Gesicht sehen.
(Lange Pause)
Lee
In Ordnung.
Richard
Nun, wenn Sie sich jetzt sehen, haben Sie da wieder ähnliche Gefühle?
Lee
Nein, eigentlich nicht. Nein. Ich sehe mich nur als nervliches Wrack.
Richard
Das ist ein ungünstiges Wort im Zusammenhang mit Autofahren.
Lee
Ich weiß. Ich war aber wirklich eins. Ich war ein nervliches Wrack.
Richard
Sie haben aber kein Wrack aus dem Auto gemacht, oder?
Lee
Nein, ich hab's bis nach Hause geschafft.
Richard
Aber wenn Sie nicht nervös sind brauchen Sie nicht... oder wenn Sie nervös werden, schlage ich vor, dass Sie sich beruhigen. Haben Sie schon mal daran gedacht?
Lee
Ich habe versucht mir zu sagen: Jetzt beruhige dich doch." Aber in diesen Zuständen ist es schwer, da wieder raus zu kommen.
Richard
Ja. Das wird es bald nicht mehr sein. Was ich nun möchte ist... ich möchte, dass Sie es noch einmal machen. Machen Sie es diesmal von innen.
Lee
Ich fang wieder da an, wo ich aufgehört habe?
Richard
Ja, bloß diesmal gehen Sie nach innen und machen es von innen. So, dass Sie wieder die Gefühle erleben, die Ihnen signalisieren, dass... (Pause) Spüren Sie sie noch?
Lee
Nein, wirklich nicht. Ich kann daran denken. Ich kann mir vorstellen, wie ich in den Wagen steige und fahre als es passiert. Aber ich hatte dieses leicht kribbelige Gefühl nicht, das ich sonst habe, wenn ich daran denke.
Richard
Hatten Sie nicht? Nun... nur, um sicherzugehen: ich sage Ihnen jetzt was wir tun werden. Ich möchte, dass Sie es diesmal wieder von außen sehen. Ich möchte, dass Sie es wirklich schnell durchlaufen lassen und wenn Sie am Ende sind, also in dem Moment, nachdem Sie in Panik geraten sind, am Ende dieser Erinnerung, möchte ich, dass Sie es anhalten wie ein Dia. Dann möchte ich, dass Sie schweben, so dass Sie von draußen in den Wagen hineinschweben und das sehen können, was Sie sehen würden, wenn Sie dort wären. Und ich möchte, dass Sie den Film rückwärts laufen lassen, bis Sie wieder am Haus Ihres Onkels sind. Sie müssen den ganzen Weg wieder zurückgehen. Das ist wirklich etwas, das Sie rückwärts machen sollten. (Pause)
Lee
In Ordnung.
Richard
Okay. Noch einmal, ich möchte, dass Sie es noch mal durchlaufen lassen. Schauen Sie, ob Sie einen Rest der Panik wiederfinden können. Wäre es nicht ein Hammer, wenn es so leicht wäre, sich zu verändernd Und Sie waren zwei Jahre...
Lee
In Behandlung, ja.
Richard
Wissen Sie was? Das liegt daran, dass Ihnen niemand gesagt hat, was Sie tun sollen. Nehmen Sie die Schule zum Beispiel. Es passiert manchmal sogar in der Schule. Die Lehrer sagen, man soll richtig schreiben. Aber sie sagen nicht, wie man das machen soll. Viele machen es dann phonetisch. Haben Sie Phonetik in der Schule gehabt?
Lee
Nein.
Richard
Man kann noch nicht mal „Phonetik" phonetisch richtig schreiben. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht^ Wer immer den Namen für diese Wissenschaft ausgesucht hat, er hat sich selbst nicht sehr ernst genommen. Als ich zur Schule ging, haben sie mir beigebracht phonetisch zu buchstabieren und zu schreiben. Nun gibt es aber eine Menge Worte, die man nicht phonetisch schreiben kann. Und die Lehrer können es sowieso nicht besonders gut. Wenn man gefragt hat „Wie schreibt man dieses Wort/", haben sie immer die gleiche Ausrede gehabt: „Schlag's im Wörterbuch nach!" Dazu müsste ich erst einmal wissen, wie man es buchstabiert. Aber die meisten Leute machen einfach ein Bild von dem Wort. Dann schreiben sie es ab. Ich wusste nicht, dass man das so macht.
Lee
Ich auch nicht.
Richard
Leute, die gut in Rechtschreibung sind, machen es so. Warum sagt einem das keiner in der Schule? In der Schule sagen sie einem auch nicht, dass man, wenn man einen Angstanfall hat, einfach stoppt, sich selbst von außen sieht, das Ganze durchlaufen lässt, es dann zu einem Standbild macht und zurücklaufen lässt. Das sagen sie einem nicht. Wenn einer käme und das tun würde... Ich habe mal daran gedacht, ein Überlebens-Handbuch zu schreiben. Ich habe herausgefunden, dass das Leben die Ursache für den Tod ist und zu leben führt zu großen Schwierigkeiten.
Lee
Ja.
Richard
Sie würden keine Probleme haben, wenn Sie nicht am Leben wären.
Lee
Das ist sehr wahr.
Richard
Selbstmörder haben darüber nachgedacht. Sie haben ein Problem, das sie nicht hätten, wenn es sie nicht gäbe... sie hätten nichts dagegen, wenn sie gar nicht erst geboren worden wären. Gehen Sie zurück und machen Sie es noch einmal. Wollen mal sehen, ob wir da nicht doch noch auf etwas Panik stoßen können. (Pause) Sie sind jetzt in Schwierigkeiten. Ich bin warmgelaufen.
Lee
Nein. Ich kann jetzt daran denken und bekomme nicht das kribbelige Gefühl, das ich dann gewöhnlich habe.
Richard
Nicht einmal das kribbelige Gefühl. Oh, geben Sie sich noch etwas mehr Mühe. Sie können dieses Kribbeln bekommen.
Lee
Nun, ich versuch es. (Pause) Nein, es geht wirklich nicht.
Richard
Na, kommen Sie schon. Sie möchten doch wirklich sicher gehen, oder?
Lee
Ja.
Richard
Okay. Warum machen wir dann nicht einfach eine kleine Fahrt durch die Gegend?
Lee
Ich bin bereit es zu versuchen.
Richard
Langsam, denken Sie noch mal darüber nach. Wenn Sie bereit sind es zu versuchen...
Lee
Ja. Wie ich gesagt habe... Ich bin bereit es zu versuchen.
Richard
Nun, das ist was anderes. Wir fahren gleich nachher etwas raus. Es gibt noch zwei andere Dinge, die ich tun möchte, und dann machen wir eine kleine Fahrt durch die Gegend. Das heißt, wenn es nur acht Meilen sind, kann ich vielleicht jemanden finden, der Sie rausfährt und wieder zurückbringt. Sie können dann den Leuten draußen in Videoland sagen...
Lee
Wie es für mich war. Wenn ich mich wirklich angestrengt darauf konzentriere, kann ich etwas spüren. Aber es ist nicht das gleiche, wie sich ins Auto zu setzen und loszufahren.
Richard
Ja, ich weiß...
Lee
Ich kann mich nicht dazu bringen...
Richard
Aber Sie haben gesagt, dass Sie, wenn man Sie früher aufgefordert hat, mitzufahren, immer gesagt haben „Ich kann nicht."
Lee
Richtig.
Richard
Sie haben das nicht gesagt, weil das nicht mehr wahr ist. Also machen wir's. Hören wir hier erst mal auf und machen den Test.
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Bill
Es ist jetzt ungefähr eine Stunde her, dass Lee die Sitzung mit Dr. Bandler verlassen hat, um draußen zu sehen, was nun mit seiner phobischen Reaktion in Bezug auf das Fahren außerhalb der Stadtgrenzen passieren würde. Er kommt gerade zurück ins Studio und wird uns nun mitteilen, wie diese Erfahrung für ihn verlaufen ist.
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Richard
Okay. Lee ist gerade zurückgekommen und ich denke, er sollte uns einfach erzählen, was passiert ist.
Lee
Ich bin aus der Stadt und sogar aus dem Staat herausgefahren.
Richard
Sie sind aus dem Staat herausgefahren!
Lee
Ja, gerade über die Brücke. Es ist ungefähr zwei Meilen von hier, vielleicht drei.
Richard
Welche Brücke?
Lee
Die Brücke an der Sixth Street in Huntington, Chesapeake, Ohio.
Richard
Und dann in der Gegend herumgefahren?
Lee
Nun, es ist außerhalb der Stadtgrenzen, soviel steht fest. Es gibt eine kleine Stadt da drüben. Ich habe auch noch daran gedacht, als ich über die Brücke gefahren bin.
Richard
Wie lange ist es her, seit Sie über die Brücke gefahren sind?
Lee
Viereinhalb Jahre.
Richard
Viereinhalb Jahre. Nun, was halten Sie davon?
Lee
Ich kann nicht glauben, dass es passiert ist. Es ist so als käme man aus dem Gefängnis frei. „Geschieht das gerade wirklich?" Das ist ungefähr das, was mir durch den Kopf gegangen ist. Wenn ich früher versucht habe aus der Stadt herauszufahren, habe ich ständig auf diese Angstanfälle gewartet. Manchmal sind sie gekommen, meistens jedoch nicht. Diesmal habe ich nicht einmal... ich habe nicht einmal darauf gewartet, dass es passiert. Ich bin einfach hingefahren und wiedergekommen.
Richard
Wie lange ist es her seit Sie das letzte Mal in Urlaub waren?
Lee
Oh je, das ist mindestens sechs, sieben Jahre her. Ich wäre wirklich gern gefahren, aber ich konnte nicht. Ich wollte mit meiner Familie zu der Weltausstellung fahren...
Richard
Das können Sie jetzt machen.
Lee
Ja.
Richard
Wollen Sie dort hinfahren, zu der Weltausstellung?
Lee
Wenn sie nicht schon vorbei ist bis ich dort bin.
Richard
Bis wann dauert sie?
Lee
Ich glaube sie dauert bis...
Richard
Läuft sie nicht ein ganzes Jahr?
Lee
Nein, ich glaube nur bis Oktober, so weit ich weiß.
Richard
Setzen Sie sich also besser in den Wagen und fahren Sie los.
Lee
Stimmt.
Richard
Wohin wollen Sie sonst noch·? Wie glauben Sie... was glauben Sie, passiert, wenn Sie nach Hause kommend
Lee
Sie werden es mir nicht glauben. Ich werde einfach mit ihnen irgendwohin rausfahren. Mit meiner Familie.
Richard
Sie fahren mit ihnen heute Abend raus?
Lee
Ich denke schon.
Richard
Machen Sie das. Wahrscheinlich müssen Sie das tun, um sie zu überzeugen.
Lee
Oh ja, das werde ich.
Richard
Wahrscheinlich werden Sie ihnen erzählen müssen, dass man Sie an Pfähle gebunden und Ihnen Nägel in den Kopf gejagt hat. Die Leute glauben nicht, dass Veränderungen zu leicht sein sollten.
Lee
Ja, ich habe nicht geglaubt, dass es so leicht werden würde.
Richard
Wie geht es Ihnen damit, dass es so einfach war?
Lee
Man glaubt es einfach nicht. Man kann einfach nicht begreifen, dass man es tatsächlich tun kann.
Richard
Danke.
Lee
Danke.
Richard Gern geschehen. Viel Spaß noch. Es ist eine große Welt da draußen.
Lee
Ja, das glaube ich. Und ich werde sie mir auch anschauen.
Richard
Vielleicht kommen Sie auch mal bis in den Westen. Aber fahren Sie nicht dahin wo ich wohne.
Lee
Das wäre etwas schwierig, glaube ich.
Richard
Das stimmt. Es ist eine lange Fahrt durch den Ozean.
Abschlussbemerkung
In Lees Fall war es nicht nötig, sechs Monate auf ein Follow-up zu warten, um die Wirkung der Sitzung herauszufinden. Es genügte eine Fahrt aus der Stadt heraus, um ihn zu überzeugen, dass er etwas tun konnte, was er nicht für möglich gehalten hatte.
Sein Mangel an Zögern, in den Wagen zu steigen und loszufahren, ist im Grunde wichtiger als die Tatsache, dass er es überhaupt tat. Lee konnte vorher nicht einmal daran denken, sein Verstand (mind) ließ es ihn nicht einmal erwägen, und nun konnte er es kaum erwarten loszufahren. Das ist ein Zeichen für Veränderung. Er sagte nicht: „Oh, das ist schwierig." Er machte es ohne zu zögern. Der Mangel an Anstrengung ist wesentlich. Er brauchte sich keinen Problemen zu stellen, er fuhr einfach aus dem Staat heraus und bestellte sich eine Cola.
Daher konnte ich davon ausgehen, dass es keine Schwierigkeiten mit einem Wiederauftreten seiner phobischen Reaktion geben würde. Was Lee nun brauchte, war ein Weg mit den Problemen umzugehen, die durch diese neue Situation entstehen würden. Einen Weg, der seiner Familie und seinen Freunden Gelegenheit geben würde, sich die schnelle Veränderung zu erklären und die neuen Möglichkeiten zu nutzen, anstatt nun alte Schwierigkeiten zu analysieren. Im NLP nennt man das „Ökologie", ich denke, es ist bloß gesunder Menschenverstand, dass jemand, der plötzlich eine dramatische Veränderung macht, um die er sich jahrelang bemüht hat, viel „hab-ich's-dir-nicht-gleich-gesagt" zu hören bekommt. Das ist ein weiterer Grund, weshalb es wichtig ist, Klienten in die Zukunft zu orientieren, weil sie sonst mit Bedauern auf all die Jahre zurückschauen, die sie verloren haben.
Wenn sie lernen können, zu lächeln und sich zu freuen, wird das, was vorher als Kritik aufgefasst worden wäre, zu einem Kompliment, sobald die Menschen in Lees Leben einen Weg haben, sich die radikale Veränderung in seinem Verhalten zu erklären.
Manchmal rate ich Klienten einfach zu sagen, dass der Herr sie geheilt habe und es dabei zu belassen. Kaum jemand wird an der Fähigkeit des Herrn zweifeln, schnelle und dauerhafte Veränderungen zu bewirken.